Frau Prof. Dr. Müller-Tamm - Direktorin der Kunsthalle spricht vor Schülerinnen und Schülern der Klasse 9 über "NS-Raubkunst" (18.7.2022)
Schülerinnen und Schüler berichten:
Wir haben uns in einem Projekt im kath. Religionsunterricht der 9 cde intensiv mit dem Thema NS Raubkunst als einem Beispiel beschäftigt wie die Gesellschaft und der einzelne Mensch mit Unrecht umgehen. Im Mai letztens Jahres hat die Kunsthalle Karlsruhe das Bild „Geschwister“ von dem berühmten Expressionisten Erich Heckel an die Erben des ehemaligen Jüdischen Eigentümers zurückgeben – das sind genau 76 Jahre nach dem Ende der NS Diktatur – immerhin hat das Bild einen geschätzten Wert im sechsstelligen Bereich. Wir haben uns gefragt, wieso das Unrecht, das in dieser Zeit geschah, so lange andauern konnte. Ist das ein unglücklicher Einzelfall oder gibt es das öfters und warum ist das so?
Wir haben genauer hingeschaut und viele Ergebnisse zusammengetragen, doch bei aller Recherche blieben Fragen offen. Dann dachten wir, nur ein Experte der Kunsthalle kann uns jetzt weiterhelfen. Frau Prof. Dr. Müller–Tamm, die Direktorin der Kunsthalle kam am 24.7. 2022 persönlich zu uns ins grüne Klassenzimmer und hat uns alle Fragen eloquent und sehr kompetent beantwortet. Sie sagte, bis in die neunziger Jahre hinein hätten sich die Musen und Kunstsammlungen damit begnügt zu sagen, Gemälde seien rechtmäßig erworben. Wenn sie z.B. von einer Kunsthandlung gekauft wurden, hat man nicht nachgefragt, woher hat denn die Kunsthandlung das Bild. Man hat das Problem ausgesessen und Anfragen abgetan, vielleicht, weil noch zu viele Menschen mit NS Hintergrund Einfluss hatten, vielleicht, weil man einfach vergessen oder neu anfangen wollte. Seit den neunziger Jahren geht das nicht mehr, Forschung, Restitution und Rückgabe der Kunstwerke stehen im Vordergrund. Frau Müller-Tamm erklärte uns anschaulich wie kompliziert dies ist. „Geschwister“ gehörte dem jüdischen Sammlerehepaar Rosy und Ludwig Fischer, deren Sohn Max Fischer 1938 in die USA auswanderte aber die Sammlung im Gegensatz zu seinem Bruder nicht mitnehmen konnte. Auf einem Weg, der sich nicht mehr rekonstruieren lässt, gelangte das Bild dann wieder zum Maler Erich Heckel. Vielleicht hat er Max Fischer in der schweren Zeit unterstützen wollen und einen sehr hohen Preis bezahlt, dann wäre das Bild rechtmäßig ihm – die Kunsthalle hätte es behalten dürfen. Vielleicht hat er es für einen zu niedrigen Preis zurückerworben – oder hat er es auf einem ganz anderen Weg bekommen - legal - illegal - niemand weiß es. In einem ähnlichen Fall konnte ein kleiner Eintrag in einem vergessenen Notizbuch, das im Keller eines Kunsthändlers zufällig gefunden wurde, die Forscher auf die Spur des rechtmäßigen Eigentümers bringen. Beim Bild „Geschwister“ gibt es leider keinen solchen Hinweis, es wird aber vermutet, dass Max Fischer der rechtmäßige Eigentümer des Bildes bis zu seinem Tod 1954 in den USA war, aber es in Deutschland zurücklassen musste.
Wir lernten also viel über die Geschichte der jüdischen Familie Fischer, über Provenienzforschung und sind froh, erfahren zu haben, dass die Museen heute NS-Raubkunst nicht mehr behalten, sondern sie an die rechtmäßigen Erben zurückgeben wollen. Heute befindet sich das Gemälde „Geschwister“ übrigens wieder in einem Museum, im Virginia Museum of Fine Art in Richmond, USA, wo die ehemalige Sammlung von Ludwig und Rosy Fischer rekonstruiert wird.
Text und Bild: BTZ